Morgens um 9 Uhr - ich schlummere noch selig vor mich hin - rast plötzlich Dunya die Treppe runter, zum Haus raus, und kreischt: "RAUS aus dem Haus! Sofort! Erdbeben!!!" - Eigentlich bin ich für sowas ja viel zu träge um diese Zeit. Andererseits verstehe ich, dass Donata - die diese Warnung wohl rübergerufen hat - um unser Wohl besorgt ist. Also springe ich aus meinem Bett, husche im Hemdchen und barfuß zur Türe raus und setze mich zu Donata, Martina, Esther und Dunya auf das Mäuerchen und starre auf's Haus, ob es vielleicht gleich zusammenkracht. Was es aber nicht tut. Zum Glück.
Donata hat ihre Handtasche und Papiere dabei, für alle Fälle. Und sie fleht mich an, mein Auto ein Stück vom Haus wegzustellen. Nur für den Fall, dass doch noch ein Ziegel vom Dach knallt. Was ja immerhin sein kann.
Es war kein Nachbeben, sondern ein weiteres Beben, fast so stark wie das erste vor einer Woche. Die Medien lassen uns wissen, dass in der ganzen Gegend, auch in Pisa, die Leute auf die Straße gesprungen sind, vor lauter Panik, das Erdbeben könnte auch in anderen Regionen so stark sein. Ich selbst habe diesesmal nichts gehört. Mein Bett hat nicht spürbar gewackelt oder gequietscht und auch die Gläser im Schrank haben nicht geklirrt. Jedenfalls habe ich es nicht mitbekommen. Esther weiß zu berichten, dass dieses Mal IHRE Lampe über dem Bett gegen die Wand gestoßen ist: *klock-klock-klock*. Das war beim letzten Beben auch nicht so.
Wir sind aber alle am Leben geblieben, und auch nichts anderes ist kaputt gegangen. Trotzdem machen Dunyas Nerven das nicht mehr mit - sie entscheidet sich, schnellstmöglich nach Hause zu fahren. Sicher ist sicher. Eine knappe Stunde später verabschiedet sie sich und ist blitzschnell auf der Autobahn Richtung Norden. Sie kommt übrigens wohlbehalten zu Hause an, wie sie später mitteilt.
Esther und ich legen uns vor dem Haus in die Sonne. Wir wollen uns nicht verrückt machen lassen. Um 13 Uhr zeigt Esther lässig auf den Boden und sagt: "Siehst Du! Es bewegt sich schon wieder!" Und tatsächlich... diesmal sehe ich es auch. Die Erde bewegt sich. Ein Nachbeben. Aber uns passiert nichts.
Mir fällt ein, dass ich ja noch dringend meine Bäume bei der Gärtnerei Musetti in Cammaiore bestellen muss, damit ich die am Donnerstag einpacken kann. Und dann können wir ja gleich noch einen Streifzug durch Esselunga machen, das nicht weit entfernt davon ist. So tun wir auch. Und sind erfolgreich. Von einem Erdbeben ist fortan nichts mehr zu spüren. |